Kevin Cool und Chamito über ihr KADE-Tape

Am 18. Oktober erschien das KADE-Tape von Kevin Cool und Chamito. Die Songs, welche sich vielen kultur- und genreübergreifenden Elementen bedienen, sind das Ergebnis vieler schlafloser Nächte im Studio, hinter denen sich eine interessante Herangehensweise an die Kunst befindet. Wir durften Kevin und Chamito bei ihrer Pre-Release Party interviewen, wobei sich ein spannendes Gespräch über u.A. Künstlercharaktere und das Sich-verlieren entwickelt hat. Viel Spaß!

Kevin Cool und Chamito
Chamito & Kevin Cool


MJ: Wir haben in euer Tape reingehört und es gefällt uns erstmal richtig gut. Um mal auf das Erste einzugehen: das Thema und der Name. „Kade“ ist ja mazedonisch, sofern ich weiß und heißt „Wo?“.

Kevin: Genau

MJ: Das heißt, es geht in dem Tape um die Suche nach Heimat. Ist das das Thema?

Kevin: Wenn wir jetzt spezifisch auf den Namen eingehen… Der Punkt war ja, was uns da verbunden hat – wir können gerne die Story dann erzählen, wie wir dazu gekommen sind – aber Kade heißt „Wo?“ auf mazedonisch…

Chamito: ..und in Brasilien auch. Ich bin zwar kein Brasilianer, aber ich bin Venezolaner und habe sehr sehr viel Bezug zu Brasilien. Da war ich einfach so: Yo, scheiße, das bedeutet einfach das Gleiche. Beides heißt „Wo?“.

MJ: Das ist krass. Also ihr hattet dieses „Kade“ und ihr wusstet, das ist ein cooles Wort, das wollt ihr verwenden?

Kevin: Willst du wissen, wie das kam?

MJ: Ja, komm, hau raus.

Kevin: Also man spricht ja von so Visionen oder irgendwas, was man bekommt, wenn man wartet, wenn man am richtigen Punkt im richtigen Irgendwo ist. Es war so: Wir waren bei einer Feier mit Freunden, eigentlich bei einer Party am Prater. Ein Freund von uns hat auch aufgelegt. Und es ist immer so zwischen uns, dass wir, wenn wir irgendwas sehen oder fühlen, kapseln wir uns einfach ab. Wir sind von diesen Leuten einfach weggegangen und waren auf „Haribo“, haben uns sehr gut und inspiriert gefühlt, weil so viel „Zucker“ da drin ist. Ich weiß nicht wer das gesagt hat, aber wir sind auf jeden Fall draufgekommen, das gibt’s ein Wort in deiner Sprache und in meiner auch. Und dann haben wir gedacht: „Kade“. Wir haben es dann auch ur oft wiederholt.

Chamito: Das war so ein kleiner Kratzer in der CD.

Kevin: Das Krankeste ist ja für mich auch, in meiner Kultur heißt „Kade“ auch „kleiner Bruder“ und ich hab das immer so verbunden. Gabriel (Chamito) ist für mich ein Bruder und es war für mich sehr emotional, dass wir diese Verbindung da haben, dieses Wort, das mich nicht loslässt. Gleichzeitig schaue ich ihn an und denke: Das ist mein Bruder.

Chamito: Wir werden auch öfter gefragt: „Ist das dein Bruder?“

MJ: Habt ihr zu diesem Zeitpunkt schon an dem Tape gearbeitet? Wusstet ihr, ihr macht ein Tape gemeinsam? Oder war dann das Wort der Auslöser fürs Tape?

Chamito: Das war der Auslöser. Es gab schon so paar lose Sachen. Wenn wir zusammen Mukke machen, da kann alles entstehen. Da kann ein Techno Song entstehen, da kann ein Rock Song entstehen. Dann hatten wir halt ein paar Songs rumliegen, die einfach in diese Richtung gehen. So bisschen Latin Rhythms, bisschen orientalische Melodien und dann hatten wir diese Erleuchtung, sag ich mal.

Kevin: Es war nie das Gespräch von einem Album, Tape oder was. Ich habe Gabriel kennengelernt – wir können später auch sagen wie – und es war immer so: Yo, wir machen geilen Scheiß zusammen, wir fließen voll. Wir haben tatsächlich an dem Tag, an dem wir uns kennengelernt haben, um 5:00 in der Früh einen Song gemacht. Dieser Song wurde am Benefits-Konzert in Wien gespielt.

Chamito: Das war das erste Mal, dass ich auf Stage war.

MJ: Das heißt: Unmittelbar vor dem Benefits-Konzert habt ihr den gemeinsam gemacht und habt euch demnach auch unmittelbar vor dem Benefiz-Konzert kennengelernt? Oder lag der da schon länger rum und dann habt ihr ihn beim Benefizkonzert gehabt?

Kevin: Also ich kann sagen, wir haben ihn gemacht und dann sind wir draufgekommen, wie crazy wir flowen. Ich hab dann halt von Demian vom Swift Circle eine Anfrage bekommen, ob ich am Benefiz-Konzert auftreten will. Zu der Zeit, durch alles was passiert, hatte ich eigentlich eine Vision für meinen Character. Dann hab ich Gabriel gefragt: „Bruder, willst du nicht mit mir diesen Song spielen?“

Chamito: Er hat mich auf Stage geholt, das war das erste Mal, dass ich live gespielt hab. Und das vor so 2.000 Leuten. Er so: „Bro, Bro, du packst das, lass einfach machen.“ Ich war aber komplett locker, weil ich ihn halt hatte. Er war so: „Komm wir gehen jetzt hoch. Wir haben das schon tausendmal gemacht zu Hause.“

MJ: Und das war dann so ein bisschen das Awakening, wo ihr gesagt habt: „Wir machen jetzt öfter Mucke gemeinsam“.

Chamito: Wir haben eh schon Mucke gemacht, die ganze Zeit. Ich hab auch zwei Songs in seiner Richtung produziert.

Kevin: Was für mich crazy ist: Mit Kade war es so ein Geistesblitz. Ich glaube, Künstler müssen irgendwie checken: Was geht jetzt gerade ab? Wenn du irgendwo drin bist, weil es komplett deine Vision ist, aber es kommt etwas, was du nicht loslassen kannst, dann mach das. Und es kam halt etwas, und ich hab mein ganzes Solo-Ding, was ich gerade gemacht hab, gecheckt. Dann war es so: Wir ziehen das durch, diese Songs, die ganze Idee, dass was gerade passiert, das ist der Sommer. Ey, ich muss irgendwie künstlerisch gesehen, genauso wie er, meiner Kultur, das ist auch das Motto vom ganzen Stück, ein Stück Heimat zurücklassen. Ich bin das denen da unten und mir selber schuldig. Du musst dir denken mittendrin, wenn du 13 Songs hast, ein Tape siehst von dir selber, brichst du es ab und sagst: „Das ist jetzt der Shit, den ich mache.“ Und für ihn war das, glaube ich, auch sehr krass einfach. Er hatte drei Songs da drin in meinem Tape.

Jakob: Aber war das dann so ein Konflikt für dich, dass du deinen alten Sound zurücklässt und jetzt das machst? Oder war das einfach das Richtige?

Kevin: Nein, es war Spirit Chamito. Also ich hab einen Spirit gesehen, der zu mir solche Sachen sagt wie: „Bruder, Kultur, du bist der, Mazedonien, hol das mal her, schau.“ Er spielt Gitarre und ich erinnere mich an meinen Dad. Und denke mir so: What the fuck, Bro, was soll das? Und ich komme dann mit Falco Beats.

Chamito: Jetzt wenn wir zusammenarbeiten, wenn wir so am Mic sitzen, er sagt mir: „Bro, mach’s schiercher, mach’s hässlicher, sing, schrei rein“, so, weißt du? Er holt aus mir so richtig diesen Rock einfach raus. Wenn er singt, sag ich: „Mach ein bisschen schöner, bisschen sanfter. Und da treffen wir uns dann immer. Manchmal schrei ich dann voll rein, manchmal singt er dann so die leisen Töne.

Chamito x Kevin Cool – No Tiene Fin

MJ: Ich will noch mal näher auf die Nacht eingehen, in der ihr gemeinsam den Song gemacht habt und euch kennengelernt habt. Das ist interessant. Ihr habt auf einer Party geklickt?

Kevin: Ich hatte nen Auftritt mit Swift Circle.

Chamito: Und ich hab das gar nicht mitgekriegt. Ich war auch auf dem Konzert, aber ich hab’s nicht mitgekriegt.

Kevin: Ich hab ihn schon am Eingang gesehen, weil Supergerne, der übrigens auch sehr viel mit mir arbeitet, hat ihn mitgenommen. Am Eingang waren wir nur kurz so: „Servus.“ Dann bin ich rein, war auf der Bühne, bin aufgetreten mit all den Leuten und dann war’s vorbei. Dann bin ich so richtig, ich sag mal auf „Haribo“ und gehe raus und sehe diesen Bruder, wie er komplett Stress hat mit irgendeinem Typen. Er geht gerade so richtig meier und Chamito chillt aber einfach und er schaut den Typen so an und macht nichts. Dann gehe ich zu dem, weil ich kannte ihn, und sag so „Bro, verpiss dich halt“. Dann war der Konflikt irgendwie gelöst. Und dann war Chamito so: „Yo Bro, komm wir gehen jetzt zu mir aftern.“ Wir sind mit meiner damalige Freundin…

Chamito: Und meiner Mitbewohnerin. Wir waren zu viert, sind zu mir gegangen in die Wohnung. Haben dann so Matratzen ins Wohnzimmer gehauen und haben dort erstmal gechillt. Wir waren so 10 Minuten dort, dann waren wir so: „Ey, bro, lass Mucke machen.“

Kevin: Dann waren wir 3 Stunden weg, haben die 2 alleine gelassen.

Jakob: Kannten die sich davor?

Chamito: Ne, aber die kannten sich danach.

Kevin: Bro, genau das ist es ja. Wenn du irgendwas fühlst, er holt das aus mir raus und ich glaube umgekehrt auch. Es ist wie so, ich sage jetzt mal blöd, wenn du Sex hast, denkst du auch nicht, was um dich passiert. Ich glaube das Ganze ist einfach so ein komplett in deinem Tunnel sein und nicht mal checken was passiert und dann wenn es aus ist, ist es wie Aufwachen. Dann waren wir so: Wow, drei Stunden, man lass mal zu denen wieder. Da ist der Song entstanden und tatsächlich wurde der Song am Benefits-Konzert gespielt. Aber er hat es nicht aufs Tape geschafft.

Jakob: Kommt der noch?

Chamito: Vielleicht machen wir einen Salsa Remix. (lacht)

Ab diesem Punkt war unsere geplante Interviewzeit eigentlich vorbei, aber wir konnten das ganze zum Glück nach draußen verlegen um noch weiter zu quatschen.

Kevin Cool und Chamito mit Kunstfrei
KUNSTFREI x KADE

MJ: Neues Format, wir machen die Interviews jetzt nur noch auf der Straße.

Chamito: Wir machen die Interviews nur noch, wo wir rausgeschmissen werden.

MJ: Okay. Okay, wo waren wir stehen geblieben?

Jakob: Ich hatte noch eine Frage. Also diese kreativen Tunnels. Ich finde die richtig krass, wenn man die zu zweit hat, ahnt ihr? Habt ihr das öfter? Ist das dann so ein Ding, was sich dann wiederholt hat?

Chamito: Wenn wir am Mic sind, auf jeden Fall. Also da sind wir in nem Tunnel. Da ist er ich und ich er. So, dass es völlig egal wäre, was passiert. Also wirklich, da sind wir im kompletten Tunnel.

Jakob: Dieser Modus wo alles scheißegal ist. Einfach scheißegal wer anruft, wir machen das jetzt fertig, oder?

Kevin: Da gibt’s kein Anrufen. Da is Flugmodus.

Chamito: Da sind wir einfach ganze Tage lang am Recorden. Nach 12 Stunden kommt dann ein: „Haben wir eigentlich was gegessen heute?“

Kevin: Jetzt sag ich mal Shoutouts an Wandl. Wir durften sein Studio benutzen für eine Woche. Ich glaube für uns war das das Ungesündeste und das Geilste, was wir jemals erlebt haben, weil da sind wir zu richtigen Höhlenmenschen geworden. Wir haben dort gepennt, gegessen, wir haben so schlecht gegessen. Irgendwann um 7 Uhr in der Früh kommen wir drauf, das draußen hell ist. Und dann ist man halt so „What the fuck, okay“. Dann gehen wir raus und dann passieren auch so viele persönliche Sachen. Deshalb passieren auch diese Songs. Ich glaube, wenn man in dieser Routine, ist alles, was draußen passiert ist, ein bisschen egal. Du kommst da rein und es gibt diese Ausmache: Diese Woche muss was passieren.

Chamito: Diese Woche gehen wir dumm einfach.

Kevin: Das ist ein Tunnel, der 5 Tage geht, wo man sich danach denkt: Damn, ich hab 8 Kilo abgenommen.

Chamito: 7 Tage sogar, fuck.

MJ: Das heißt, die meisten Songs vom Tape sind in so einem Szenario, in so einem Modus entstanden.

Kevin: Aber immer mit einem Hintergedanken, mit einem Motto, was wir dann doch verfolgen. Ich sage jetzt mal, die Sachen sollen schnell gehen. Ich sage auch immer: Dein erster Take, ich nehme den.

Chamito: Jaja, er sagt immer: „Dein erster, der war krass.“

Kevin: Die meiste Angst zu verkacken ist gleichzeitig das ärgste Feeling zu dem, was du bist.

Jakob: Das was, am pursten rauskommt ist meistens das beste.

Chamito: Ja, das ist auch der Ansatz. Viele Sachen sind auch durch Freestyle entstanden. Wenn wir zusammen freestylen, ist das echt krass. Stundenlang wirklich einfach nur am Mic. Da gehen wir wirklich lost in space. Und dann ist es so: Okay, wir haben einen Beat und dann freestylen wir und dann sagt einer: „Alter, was hast du gerade gesagt?

Kevin: Irgendwann nach 40 minuten zuhören sagt er dann: „Mach du mal wieder.“ Irgendwann kommt ein Wort. Zum Beispiel ich sage: „Liebe.“ Und er so: „Warte, warte, warte, geh mal zurück.“ und es sind gefühlt 27.000 Spuren. Dann suchen wir eine Stunde nach dem Wort und an dem schreiben wir das Ganze. Also es ist: Den Beat lieben, dumm gehen und dann dumm gehen.

MJ: Also das ist quasi das Rezept für dieses Tape: Beat lieben, dumm gehen und dann dumm gehen.

Chamito: Dumm gehen, ist Kopf aus.

Kevin: Einfach lieben und versuchen sich selber in dem zu verlieren, was man ist.

Kevin Cool und Chamito KADE

MJ: Ihr habt doch beide bestimmt einen Favorite Track vom Tape einerseits musikalisch, was euch am besten gefällt und andererseits, wo ihr so eine Memory damit verbindet, weil der Moment geil war, oder?

Kevin: Auf drei sagen wir beide den Song. Zählt mal: drei, zwei, eins…

Meine Stadt.

MJ: Also das heißt „Meine Stadt“ ist nicht nur musikalisch sondern auch wegen dem Moment quasi euer Favorite Song?

Chamito: Ja, also ich sag mal, das Instrumental ist genau in dieser crazy ass Woche entstanden. Also ja, vom Vibe ist es mein absoluter Lieblingssong. Es ist auch der letzte Song, den wir gemacht haben. Der ist auch noch frisch. Die anderen sind schon ein bisschen älter.

Kevin: Ich spiele ja gern Percussions und ich durfte auch Klavier spielen und so. Das ganze Tape ist so krank organisch. Es sind echte Instrumente da drin, gleichzeitig mit so digitalen Geschichten. Also dieser Song und das Interlude davon, also das „KADE Interlude“, ist eigentlich ein Song. Und das waren die letzten zwei Tage, einfach schon die letzte Batterie und man kannte nichts anderes außer Klo gehen, kotzen und fucking Mucke machen.

Chamito: Ja, full organic einfach. Wirklich alles dort haben wir selbst gespielt.

Kevin: Mein größter Wunsch ist es auch so ein Studio zu haben. Ich glaube einfach davon leben zu können. Jetzt haben wir es mal geschafft ein Motto, die Kultur und die Message, die uns verbindet einfach für dieses Projekt – weil wir sind unsere eigene Charaktere – zu verbinden. Wie, wenn eine Skulptur da jetzt gerade gemacht wird, und sie muss fertig werden, weil du denkst, es hilft Leuten. Wir haben es einfach durchgezogen.

MJ: Ja, und das ist gut so, weil im Endeffekt ist das dabei rausgekommen und ich meine, ihr seid wahrscheinlich beide wahnsinnig stolz.

Chamito: Ich bin unglaublich happy, dass es fertig ist. Es ist wie eine Geburt einfach, weißt du? Neun Monate, neun Monate waren wir jetzt schwanger mit diesem Projekt.

MJ: Waren’s wirklich genau neun Monate?

Chamito: So ziemlich. Im Jänner haben wir angefangen.

Kevin: Im Jänner ging es dann wirklich los mit diesem: „Hey, das Projekt beginnt ein Ding zu bekommen.“ So Zeichen, weißt du? Das sind Zeichen, bei denen du denkst, das triggert mich, irgendwie triggert mich das. Aber auch positiv. Du denkst dir so: Wenn ich da jetzt nicht hinhör, dann kann das weg. Wir haben da hingehört, und ich sag jetzt mal: Erfolg ist was anderes, aber Erfolg ist in dir. Egal was du sagst, egal ob ich jetzt einen Ski Aggu treff, die sind trotzdem emotional und glücklich, gleich wie ich. Ich rede mit ihm und er ist so gestresst, weißt du, aber er ist gleichzeitig so ein Macher, so der krankeste Macher. Ich denk mir halt: Digga, du spielst da mit Zahlen, bei denen ich mir denke, what the fuck, du bist Hollywood, du bist aber so wie ich. Du bist emotional komplett gleich und bist nur bisschen mehr hängen geblieben. Dann ist da dieses Zeichen von: Digga, du machst deine Kunst und du kannst sterben mit dem, dass dich Leute sehen oder ohne, aber mach es, mach es einfach.

MJ: Ich mein, es ist auch sehr viel Commitment, so ein Tape zu machen. Und es sind auch neun Monate, da passiert ja auch viel. Wart ihr irgendwann an dem Punkt, wo ihr so wart, okay, es geht vielleicht nicht mehr?

Chamito: Safe gibt es Momente, wo du daran denkst aufzuhören. Aber genau die Momente motivieren dich weiterzumachen. Es ist genau das gleiche wie mit den Triggern: Wenn du bei den Triggern nicht hinschaust, dann kennst du dich selber nicht, weil du läufst immer nur davon weg.

Kevin: Wenn man eine Erfahrung sammeln darf mit einer Person und du dich hinterfragst: Was ist mir hier wichtig? Was hat das für einen Wert? Wo liegt diese Liebe? Was will ich? Wenn du dir diese Fragen stellst, dann ist das oft ein: Fuck man, nee, ich gehe. Aber mittlerweile überlege ich mir, wie ich gehe oder warum ich gehe oder ob ich jetzt wirklich gehen will. Es gab solche Momente, weil das einfach ein BOOM ist, weißt du, an Emotions, kreativ sein. Ich mag das Wort nicht, aber du musst halt was kreieren und wir sind zwei Menschen. Ich bin sein Gegenteil, komplett sein Gegenteil. Das ist der Punkt, warum das so entstanden ist. Weil ich ihm sage, mach so und er so: „Nah.“

Jakob: Ja, das haben wir auch oft. (lacht)

Kevin: Aber ich sage euch: Haltet’s daran fest, weil der macht etwas, was dir was bringt. Ich sage auch immer: Wir haben verschiedene Fähigkeiten.

Jakob: Ja, manchmal rufen wir uns an und einer ist so: „Bist du eigentlich völlig dumm?“ Das ist so geil.

Chamito: Ja korrekt, genau so gehört es.

Jakob: Du hast jetzt gerade gesagt, du magst das Wort kreativ sein nicht. Warum? Was ist da los?

Kevin: Also ich bin ein bisschen ein spiritueller Mensch und „Kreativ“ ist gleichzeitig ein Zwang, der von einem größeren menschlichen Sinne kreiert worden ist, wo das Wort „kreieren“ drin steht. Und für mich ist „kreieren“ nichts anderes, als „sich verlieren“. Ich sage lieber „mich verlieren“ als „kreativ sein“. Weil sobald ich sage, ich muss was kreieren, ist bei mir Druck. Ich sage lieber: „Ich will mich verlieren, ich will lost gehen.“ Deshalb mag ich das Wort nicht. Es ist immer so ein Druck, wenn jemand sagt, lass kreativ gehen.

Jakob: Ich habe das Gefühl, es geht dann auch eher mehr um das Produkt als den Prozess dahinter. Weil der Prozess dahinter ist ja für den Künstler eher das, was so geil daran ist.

Chamito: Ja, und darauf haben wir bei diesem Projekt geschissen, einfach an dieses Endprodukt zu denken. Wir machen das, was wir gerade fühlen in dem Moment. Wir verlieren uns einfach in dem Tape, in dem was wir sind und da ist halt dieses Baby rausgekommen.

Kevin: Ich will trotzdem Struktur unterstützen, weil ich bin der, der plant. Ich plan den Scheiß. Und gleichzeitig, glaube ich, das bei jedem Menschen, den ihr seht etwas dahinter ist. Da sind 20 Leute, die ihn dazu leiten, die Sachen zu zeigen. Die größten, größten Künstler würden ihre Sachen nicht mal zeigen wollen, da bin ich mir sicher. Aber wir wollen alle anerkannt werden und jeder der mir sagt: „Ne, ich nicht“, hat ein Problem. Ich glaube schon, dass wir Menschen anerkannt werden wollen. Ich will nach Hause gehen und mein Bruder soll mir sagen: „Ich liebe dich“. Ich will ins Auto steigen, meine Mom gibt mir die Hand und sagt: „Du schaust heute gut aus.“ Das ist Anerkennung. Wir wollen alle Anerkennung. Man kann das in dem Maße machen und einfach verstehen, jeder braucht Anerkennung. Und Ich glaube, es ist wichtig, dass man irgendwie diesen Punkt versteht von: Die Kunst freizulassen, wenn man die Anerkennung nicht bekommt. Schau auf diese drei, vier Leute, die dich wirklich lieben. Diese Anerkennung ist die Wichtigste. Das andere, glaube ich, kommt einfach.

Jakob: Viele Künstler wollen ja ihr Zeug gar nicht zeigen. Und viele Künstler sind irgendwie unzufrieden mit ihrem Werk, weil sie immer denken, irgendwas gehört noch, ich möchte noch dran arbeiten und es ist immer nur so ein unfertiges Projekt und irgendwann wird man halt gezwungen, es zu veröffentlichen. Vor allem halt als Musiker, weil man halt irgendwie das Geld machen muss und irgendwann muss ein Album kommen. Man kann nicht für immer arbeiten. War das bei euch auch so? So ein: „Okay stop, wir müssen jetzt das jetzt veröffentlichen.“

Kevin: Ich sag’s dir ganz ehrlich: Ein Künstler ist nie fertig. Wir hatten ein Motto: Deadlines. In dem Sinne kannst du dir sagen: Dieser Punkt ist für mich zum Abgeben. Und dann geh mit dir in Frieden, schau dich im Spiegel an und sag, egal wie weit das Produkt da ist, das ist für die Menschen. Für mich hab ich so mäßig ausgemacht, an dem Tag ist die Abgabe, die Deadline. Du kannst daran weiterarbeiten, aber das ist das, was die bekommen. Du hast dich dafür entschieden, dass die das bekommen, dann gib dir eine fucking Deadline, sonst bist du für die ein Nobody. Für was hast du dich entschieden? Dass du es zeigst. Dann gib dir eine Deadline und gib es ab. Für dich ist es nie fertig. Deadline stresst halt auch, aber es muss sein. Abgabe muss sein. Weil eigentlich willst du ja zwei Millionen Monthly Listeners. Eigentlich willst du sagen: Ich verdiene jetzt 5000 für ne Show oder ich geh irgendwo auf ne Party und will jetzt gratis reinkommen, weil ich der bin. Verstehst du? Keine Ahnung, ist auch ein Character, das Ganze. Ich glaube schon, dass es eine Persönlichkeit ist, die du entwickelst und dann kann es sein, dass es dich irgendwann einnimmt, in ein paar Momenten, und dann kann es auch sein, dass du dir denkst so: Fuck, ich bin das eigentlich nicht.

Jakob: Wie weit, würdet ihr sagen, sind die Charaktere Kevin Cool & Chamito von euch entfernt?

Kevin: Ich glaube bei uns selber ist es eben so, dass wir uns immer wieder klar machen, wer wir wirklich sind. Dann ist es eben diese Emotion zu dem was Chamito hat, wenn er mit mir drüber redet und jetzt habe ich wieder irgendwas innen drin, von dort, das muss hier raus. Dann hockt er sich an die Gitarre und ich glaube, es hilft ihm, daran zu denken. Da sehe ich einen Charakter, der so authentisch ist. Ich denke mir so: Bro, Chamito ist einfach ein Gefühl von Nächstenliebe zu sich selbst und ich glaube gleichzeitig auch, er verbindet sehr viel Familie, Emotions mit seiner Herkunft und bringt das hier her und er möchte den Leuten zeigen, dass du ehrlich sein sollst. Ich glaube, das hilft dir, oder?

Chamito: Natürlich, ich zeige einfach die Konflikte, die ich habe. Die Hälfte von meiner Familie ist verstreut auf dem ganzen Kontinent, weil es in Venezuela eine komplette Krise gibt. Deswegen ist alles nur eine Frage von: Wie sehe ich mich selbst im Spiegel und wie sehr traue ich mich auch einfach, das den Leuten zu zeigen? Irgendwann hat man kein Bock mehr irgendwie ein falsches Lächeln aufzusetzen, sondern du nimmst halt das echte Lächeln oder keins.

Kevin: Bei Kevin Cool, danke an Chamito, merke ich immer, dass er mich von dort runter holt. Ich sage jetzt mal, ich bin mit einem Bibiza unterwegs. Ich bin mit ein paar Leuten unterwegs und ich selber sehe in mir dieses Ding, wo mich mein Papa immer auf den Tisch stellt und sagt: „Tanz. Tanz jetzt vor allen. Du musst.“ Verstehst du? Da passiert was in dir. Oder es ist eine Hochzeit, es spielt gerade Hip-Hop Musik und du als Vierjähriger wirst in die Mitte getan, es sind tausende Leute um dich und du musst tanzen, weil du so schön bist und dir das gesagt wird. Du bist der. Du bist der, der das anzieht damit dein Papa dich in die Mitte holt. Das hat was mit mir gemacht. Und dann erinnere ich mich immer wieder: Es ist wie ein Weg, der dir gestellt wird. Ich glaube deshalb traue ich mich auch. Mittlerweile habe ich Bühnenpräsenz. Ich habe Präsenz, wenn ich irgendwo reingehe, keine Ahnung, warum die Leute so viel mit mir reden wollen, aber ich habe gelernt, es hilft Menschen mit mir zu sein oder zu reden. Wenn ein Franz (Bibiza) zum Beispiel zu mir sagt: „Bro, ich fühle mich so angezogen von dir, wenn ich jetzt unterwegs bin, weil ich mich einfach identifizieren kann mit dem Ganzen.“ Und ein Franz kann nicht normal auf die Straße, mittlerweile. Ich sage jetzt mal, das Ganze hat, glaube ich, sehr viel mit meiner Kindheit zu tun. Kevin Cool ist eigentlich genau das Gegenteil von dem, was es sagt. Ein Kevin und „cool“. Du musst dir denken, jeder hat mir immer gesagt: „Du bist kein Kevin, du bist cool. Du bist viel zu cool dafür und du schaust nicht so aus wie ein Kevin.“ Ja, fickt’s euch, ich bin Kevin Cool.

Jakob: Mic Drop

MJ: Ihr wollt jetzt noch Shoutouts geben?

Chamito: Boah, Shoutouts an das ganze Team.

Kevin: Kurzer Abschluss. Ich sage jetzt mal: Danke an den Anfang, wie das Ganze angefangen hat, an unsere Familie, an all die Leute, die uns wirklich nahe stehen, wo wir jetzt vielleicht Namen vergessen. Danke vor allem an das Videoteam von Sizilien. Die waren da mit uns, da sind wir crazy gegangen. Wir haben Nora, Elias, Toska, all diese Leute einfach wirklich in unser Herz geschlossen. Dann geht es weiter mit allen Leute, die mit uns Musik gemacht haben, da fallen Namen wie Lex Lugner. Dann sind da drin so ein Turnup Tun, Tobioui, Supergerne. Es sind Wiener Legenden, für mich schon, mit denen wir zusammenarbeiten. Und der ärgste ist, falls ihr den kennt, Chamito. Der hat „Meine Stadt“ übrigens produziert.

Chamito: Und noch ein paar andere Songs.

Kevin: Und auf jeden Fall fette, fette, fette Shoutouts an euch: Kunstfrei. Danke, dass ihr euch da die Zeit nehmt.

MJ: Danke, dass ihr euch die Zeit nehmt.

Kevin: Ich hoffe, ihr könnt auch was mitnehmen mit dem Tape und für euch ein bisschen drüber nachdenken, ein bisschen freier zu sein, das Ganze hier nicht so ernst zu nehmen und wenn es mal wirklich irgendwie komisch wird, dann einfach wieder einen Step zurückzumachen.

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